Kinderkirche, Christenlehre & Co.

Begriffsklärung

Woran denkst du, wenn du den Namen »Kinderkirche« hörst oder liest? Je nach Region und Tradition kann das sehr unterschiedlich sein. Was in vielen süddeutschen Gemeinden »Kinderkirche« genannt wird, heißt im Osten »Kindergottesdienst«. Und dort ist »Kinderkirche« deckungsgleich mit »Christenlehre«. 
In seinem Buch verwendet Martin Steinhäuser die Begriffe Christenlehre und Kinderkirche synonym (Seite 8). 

Der Autor

Der Autor arbeitet als Professor für »Gemeindepädgogik und kirchliche Arbeit mit Kindern« an der Evangelischen Hochschule Dresden, Campus Moritzburg. Sein Buch ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts.
Du fragst dich jetzt vielleicht: »Ist dieses Arbeitsbuch also nur für den Osten interessant?« Mitnichten. Auch wenn es die ostdeutsche Praxis reflektiert, können alle, die in Kirchengemeinden mit Kindern arbeiten oder dafür Verantwortung tragen, profitieren. 

Schwerpunkte

Dieses Arbeitsbuch gibt Einblicke in ganz konkrete Situationen vor Ort, ordnet diese jedoch in ein Gesamtkonzept der »bildungsorientierten Arbeit mit Kindern in Kirchengemeinden« ein, worauf auch der Untertitel des Arbeitsbuchs hinweist. 
Auch wenn es um das Format Christenlehre mit seiner spezifischen Entstehungsgeschichte in der DDR geht, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten des Abgleichs mit der eigenen Arbeit – überall im deutschsprachigen Raum. 
Hilfreich sind die drei Akzentuierungen der kirchengemeindlichen, praktischen Arbeit mit Kindern. 
Steinhäuser unterscheidet folgende Dimensionen (Seite 9): 
1. die liturgische (z. B. im Kindergottesdienst); 
2. die freizeitpädagogisch-erlebnisorientierte (z. B. in der Jungschar) und 
3. die bildungsorientierte (z. B. in Konfi 3 oder in der Christenlehre) Dimension. 
Dabei gibt es Überschneidungen. Kindergottesdienste sind nicht rein liturgisch, sondern haben Anteile von beiden anderen Dimensionen. Dennoch lohnt es sich, zu klären, »worin die profilbildenden Unterschiede liegen« (Seite 9). 
Steinhäuser gibt deshalb in einem weiteren Teil seines Buches eine ganz praktische, hilfreiche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Profilentwicklung. Er sieht in diesem Prozess die Chance, »in Ruhe der eigenen Praxis gegenüberzutreten und zum Austausch über diese Praxis zu kommen«. Dabei würdigt er ausdrücklich die praktische Arbeit, denn sie eile der Theorie voraus. Dieser Vorsprung mache »einen Teil ihrer Würde« aus (Seite 159). 
Es ist wichtig, dass Steinhäuser das an dieser Stelle erwähnt! Theorie ist kein Selbstzweck, sondern dient der Praxis.

Martin Steinhäuser/Bertram Kober (Fotos)

Eindrücklich sind die vielen Zitate, bei denen verschiedene Perspektiven zu Wort kommen: Kinder, Eltern, Gemeindeleitende, gemeindepädagogische Fachkräfte.
Die Zitate machen besonders deutlich, wie wichtig Steinhäuser die Rückmeldungen der Kinder sind und wie ernst er sie nimmt.

Das Buch enthält zahlreiche Fotos, die Bertram Kober gemacht hat. Sie fangen Situationen und Interaktionen mit der Kamera ein und und dokumentieren damit auch die Arbeit der Christenlehre. Diese Fotos sind ein besonderer Schatz. Denn alle, die mit Kindern arbeiten, wissen, wie heikel die Veröffentlichung von Fotos mit Kindern ist. (In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass die Fotos in anderen Kontexten entstanden sind. Sie bilden somit nicht die Situation dieser beschriebenen Kirchengemeinde ab. Dennoch sind sie authentisch und aus der Praxis. Dies ist nötig, um die Anonymität zu wahren.)

Immer wieder werden aus einem Gruppensetting Bilddetails gesondert abgebildet. Dadurch wird der Blick bewusst auf bestimmte Nuancen fokussiert.

Gliederung

Das Arbeitsbuch gliedert sich in vier Teile. 
1. Teil: Dies ist der umfassendste Teil des Buches und gibt Impressionen aus der Praxis. Hier werden die Besuche der Christenlehre an vier unterschiedlichen Orten dokumentiert und analysiert. Steinhäuser nimmt uns sozusagen mit hinein in die Gruppenstunden und lädt anschließend ein zur Reflexion.
2. Teil: Im zweiten Teil reflektiert Steinhäuser die Kinderkirche konzeptionell.
3. Teil: Der dritte Teil legt dar, dass Kinderkirche als Prozess zu verstehen und zu gestalten ist. 
4. Teil: Im letzten Teil werden Schritte zur Profilentwicklung aufgezeigt.

Gemeindepädagogische Fachkraft

Eine Schlüsselrolle nimmt die gemeindepädagogische Fachkraft ein. Der Autor versteht sie als »Wegbegleiterin«. Solche und andere Reflexionen laden immer wieder dazu ein, die eigene Rolle zu bedenken. 

Fazit

• Dieses Arbeitsbuch eignet sich gut zum Querlesen. 
• Selbst wer mit dem Modell der Christenlehre nicht vertraut ist, wird überall Parallelen zur eigenen Praxis entdecken. Das gilt sowohl für die Zitate, als auch für die Beschreibung der jeweiligen Situation und die vielen Fotos.
• Die Unterkapitel sind meist kompakt auf einer Doppelseite dargestellt. So kann man z. B. aus dem Kapitel »Gespräche führen« auf diesen zwei Seiten einen Gewinn für die eigene Praxis ziehen. (Seite 148–149)
• Wie wichtig Beteiligung für die Motivation der Kinder ist, konnte Steinhäuser ebenfalls bei den Gruppenstunden erkennen: »Die intrinsisch motivierte Beteiligung der Kinder ist dann am stärksten, wenn sie sich individuell gesehen fühlen …, mitmachen dürfen …, mitbestimmen … und köperbetont spielen.« (Seite 79) So ist auch die Doppelseite zum Thema »Beteiligung« eindrücklich. (Seite 110–111)
• Das Buch lädt dazu ein, das eigene Tun zu reflektieren und auch neu zu justieren. Es bietet viele Praxisideen, die die eigene Fantasie anregen und dann sogar in der Gruppe vor Ort Gestalt gewinnen können.

Ausblick 

Bei seinem nachdenklichen Ausblick gibt Steinhäuser allen kirchlichen Akteur*innen die Frage mit: »Worüber müssen wir heute nachdenken, um auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet zu sein?« Auch diese Frage macht deutlich, wie eng Theorie und Praxis miteinander verzahnt sind – gerade dann, wenn es um strategische Fragen geht.
Martin Steinhäuser hat recht, wenn er im Vorwort schreibt: »Es ist ein kostbares Geschenk und großartiges Privileg, Kinder in Kirchengemeinden willkommen heißen zu dürfen, mit ihnen zu feiern und zu diskutieren, zu spielen und mitzufühlen, zu singen und zu streiten.« (Seite 3) 
Dem ist nichts hinzuzufügen.